Montag, 26. September 2011

Indien- Reisebericht, Teil 2

Ich muss erwähnen, dass ich relativ unvorbereitet nach Indien aufgebrochen bin. Ich habe kurz eine Liste erstellt, mit Dingen, die ich brauchen könnte und diese dann eingekauft, wenn ich sie nicht schon hatte. Taschenlampe, Messer, Mückenspray, etc. Über das Land wusste ich soviel, wie man eben wissen kann, wenn man ein paarmal den Lonely Planet durchgeblättert oder Erzählungen von Travelhippies gelauscht hat.
Wichtig war mir am Anfang der Reise, möglichst viel Neues zu erfahren. Wie sich herausstellte, sollte ich diesbezüglich auf meine Kosten kommen...
So setzt mich also der Rickshawfahrer ab, und ich kann nur kurz einen Ausschnitt des Strandes erschielen, als sogleich ein alter Mann mit Cowboyhut und lauter Kehlkopfstimme fragt, ob ich nen cheap room bräuchte. Vermutlich hatte er bereits den ganzen Morgen auf jemanden wie mich gelauert. Denn wie ich später erfahren sollte, war in Goa Ende der Saison und die Touristen wurden weniger. Traurigerweise scheinen viele Inder das Jahr in Touristensaison und Nicht-Touristensaison einzuteilen. Gut, erstmal eine richtige Unterkunft, wo ich mich für mindestens eine Woche einnisten werde! Ich folge dem Mann, und freue mich, denn das erste was ich machen wollte, war sowieso, ein Zimmer zu suchen. Den Rucksack endlich abstellen können. Der Mann spricht allerdings so schwer verständliches Englisch, dass mir die Konversation bald zu anstrengend wird. Der Preis ist dann kurz vor dem Bezahlen doch plötzlich höher, als Anfangs genannt und an dieser Stelle ahne ich, dass ich mich von nun an irgendwie arrangieren muss mit den kleinen Unehrlichkeiten der sehr armen Leute in diesem Land.
Ich wimmle den gesprächigen Mann so schnell ab, wie man ihn eben abwimmeln kann, lasse das Gepäck im Zimmer und mache mich auf zum Strand. Der alte folgt mir und erzählt munter weiter, doch ich verstehe nichts. Am Strand angekommen, lässt er endlich von mir ab.
Ich treffe als nächstes zufällig einen Bekannten aus Berlin. Als ich mit ihm in einem Liegestuhl sitze, finde ich es toll, dass eine alte Frau frisches Obst in einem Korb anbringt. Der Strand ist voll von Händlern, die alles mögliche anbieten. Sie bieten es allerdings ständig an und sehr aufdringlich.
Ich trinke ein Bier und fühle mich recht wohl. Später sehe ich mich alleine in der Gegend um. Doch gerade in Goa am Strand ist es beinahe unmöglich alleine zu sein. Ich verwechsele die interessierte Art der Händler zuerst mit Gastfreundschaft, doch schnell wird mir klar, dass sie mich alle als Frischfleisch und gewissermaßen als wandelnde Geldbörse wahrnehmen. Es scheint sich fast rumzusprechen, dass ein "neuer" da ist. An jedem Shop, den ich nur flüchtig anschaue, muss ich ein Versprechen hinterlassen, dass ich später wiederkommen und etwas kaufen werde. Und man lässt mich nicht in Ruhe, bis ich dieses Versprechen abgebe. Sie stellen sich mir in den Weg oder nehmen mir sogar meine Tasche weg und halten sie fest in der Hand, bis ich verspreche. Und wenn ich es leichtfertig verspreche, nur um gehen zu können, reicht das nicht, dann heißt es: „Indian promise is strong promise. If you don‘t come back you will feel very bad.“ Eine Drohung? Werde ich von irgendwelchen Banden ausgeraubt, Nachts in meinem Zimmer, arbeiten sie mit meinem Zimmervermieter zusammen? Sind die Händlerinnen vielleicht Hexen und sprechen einen bösen Indischen Fluch aus, der mich zwei Wochen kotzen und scheißen lässt? Ist das der Auslöser für den Reisedurchfall, von dem so viele erzählen? Hätten sie alle einfach etwas bei den Händlern kaufen sollen?
Ich bin jetzt etwas mieser drauf. Händlern gehe ich aus dem Weg und vermeide Blickkontakt. Das kann es aber doch auch nicht sein? Die sind doch nicht etwa alle so? Doch ich bin ja gerade erst angekommen. Let’s see.
Der Bekannte aus Berlin hat erzählt, es seien am Abend gleich 2 Partys am Strand. Allerdings ist gegen Mitternacht spätestens Schluss. Die Polizei duldet die endlosen Hippiepartys schon lange nicht mehr.
Ich gehe gerne auf Goa-Partys und freue mich, mal an dem Ort zu sein, wo diese Partys vor einigen Jahrzehnten ins Leben gerufen worden sind.
Es ist aber nicht mehr so wie es wohl mal war: In einer Bar wird Psytrance gespielt und ein paar Tücher werden am Strand aufgehängt. Die Indischen Zigeuner bauen rings herum ihre Stände auf. Es geht natürlich auch darum, blöde Hippietouristen anzulocken und ihnen möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Ich verdränge diesen Gedanken und weil ich ja selber ein blöder Hippie bin, kaufe ich mir einen LSD-Tropfen von einem Israeli. Wo LSD ist, sind auch gute Menschen, denke ich mir. Schön ist, dass die Sonne an den Stränden von Goa am Horizont überm Meer untergeht. Als ich da war, allerdings schon immer um 18:00 Uhr. Und dann ist es Stockdunkel! Und die Hunde, die überall rumlaufen – mindestens soviele wie Kühe – werden aggressiv. „Nimm dir Nachts einen Stock mit, wenn du zu Fuss unterwegs bist“, hat der Berliner gesagt. Na super. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen, als auf LSD mit einem Hund zu kämpfen.
Der Trip ist sanft, fühlt sich gut an. Warme Wellen umfluten meine Füße, während die ebenfalls warme Nachtluft durch meinen Körper hindurchzuwehen scheint. Später tanze ich am Strand und fühle mich gut. Ich habe ein paar Gespräche mit Indern, bei denen es nicht nur um Geld geht. Zumindest nicht so direkt und unmittelbar. Manche haben unglaublich gründlich durchdachte Konzepte, um an das Geld der Touristen zu kommen, so dass es Anfangs tatsächlich wirkt, als wäre man nun auf wahres Interesse und wahre Gastfreundschaft gestoßen. So erging es mir mit Ravi, den ich auf LSD auf dieser Party kennenlernte. Über die Raffinesse seiner Bande staune und rätsele ich noch heute…

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