Dienstag, 22. Mai 2012

Indienreise Teil 11: Die Suche nach dem Regenbogen

Ich verbringe eine weitere Nacht auf dem Dach des Bombay Guesthouse. Hier halten sich nette Menschen auf. Zwei Musiker erscheinen des Abends, setzen sich in eine Ecke auf dem Dach, packen ihre Instrumente aus und geben ein Zeugnis ihres Könnens. Ich vermute, dass sie durch ihre Melodie, eine Mixtur aus Gitarren- und Streichinstrumentklängen, alle anwesenden Personen im Bombay Guesthouse um sich versammeln. Auch ich höre begeistert zu. Am Ende gibt es Applaus.

Dann kommt der Tag, an dem ich mich aufmache, das Rainbow-Gathering zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nicht, dass am Abend alles anders sein wird, als gedacht.
Das Gathering soll in der Nähe von Rishikesh stattfinden. Ich frage ein paar Leute, die so aussehen, als könnten sie genauer wissen, wo. Bisher habe ich nur eine Info aus Hampi von einem Mädchen und ich habe im Internet gelesen, dass es definitiv stattfindet. In Rishikesh aber sagt mir zumindest der etwas unsympathische "Zimmerverteiler" des Bombay Guesthouse, dass die Polizei die Hippies verjagt habe, welche ihr Rainbow erst ganz in der Nähe abhalten wollten. Dann treffe ich zufällig jemanden, der direkt vom Gathering kommt. Er schreibt mir etwas auf einen Zettel: Ein Ortsname, wo ich aus einem Bus aussteigen soll, irgendwo in den Bergen und die Info, nach dem Aussteigen noch etwa 10 Kilometer zu laufen, bis zu einer Steinbrücke rechts.

Mit diesem Zettel bewaffnet, fahre ich zur Busstation. Die Information ist spärlich, doch ich bin entschlossen, das Rainbow Gathering aufzusuchen!
Es ist leicht, den richtigen Bus zu finden und irgendwann fährt er auch los. Die Fahrt in die Berge kann ich genießen, denn die Landschaft und der Ausblick werden mit jeder kurve, die sich weiter die Berge hinaufschlängelt, noch spektakulärer! Schön, wenn sie ihr Rainbow hier abhalten, denke ich mir.



Dann kommt nach etwa einer Stunde Fahrt die Haltestelle auf dem Zettel. Der Busfahrer hält nur für mich an, hier steigt sonst niemand aus. Er ruft mich winkend nach vorne, ich drängle mich mit meinem Rucksack stolpernd durch den schmalen Gang des voll besetzten Busses und schaffe es zur Tür hinaus. Der Bus fährt weiter und ich stehe mitten in den Bergen, an einer Straße, an der vielleicht 5 Häuser angrenzen.
Hier gibt es sonst nichts. Außer natürlich die sagenhafte Landschaft. Ich laufe los. Nach einer gewissen Strecke, die mich durch weitere kleinere Häuseransammlungen führt, schätze ich, dass ich bereits über 5 Kilometer zurückgelegt haben muss. Von einer Steinbrücke rechts nichts zu sehen. Ich treffe zwei Jungs und frage sie nach der Brücke. Doch hier in der Einsamkeit der Berge spricht man kein Englisch. Egal, wie einfach ich es formuliere, die Jungs zucken nur mit den Schultern, sie verstehen mich nicht. Also folgt eine Verständigung mit Händen und Füßen, bzw. mit Stock und Lauten. Ich zeichne eine geschlängelte Linie in den sandigen Boden am Straßenrand und sage: "Ganga". Jetzt schütteln, bzw. schwenken sie heftig den Kopf (in Indien bedeutet ein kurzes Kopfschütteln/-schwenken in vielen Regionen soviel wie bei uns das Nicken mit dem Kopf) und sagen "Ah, Ganga!" oder so was. Dann lege ich den Stock über die geschlängelte Linie und sage: "Bridge". Ich habe wenigstens das Gefühl, dass sie auch das verstehen, denn sie zeigen in meine Laufrichtung mit den Armen. Ich frage: "Five kilometers?" Sie schütteln wieder heftig den Kopf. Vielleicht wollen sie mich aber auch einfach nur loswerden. Also laufe ich weiter in die Berge hinein. Ich bemerke, dass es nicht mehr allzu lange dauert, bis es Stockfinster ist. Ich bin zwar relativ sorglos und genieße anfangs die Wanderung, kann mir aber auch vorstellen, dass, wenn man irgendwo in Indien verschollen geht, dann doch vielleicht in so einsamen Bergen wie diesen.



Bald sehe ich rechts einen gepflasterten Weg, der in ein Tal hinunter richtung Ganges führt. Das ist doch aber keine Brücke?! Vielleicht hat dort das Rainbow stattgefunden, ich werde es womöglich niemals herausfinden. Ich entscheide mich nämlich, weiter zu gehen, denn ich vernehme nach langer Beobachtung weder Stimmen, noch irgendwelche anderen Geräusche aus dem Tal.
Langsam wird es dann tatsächlich dunkel und meine Motivation beginnt, zu schwinden. Es wird auch anstrengend mit dem Rucksack eine endlose Straße entlang zu laufen. Dann treffe ich einen Mann, der mir bestätigt, dass weiter die Straße entlang noch eine Brücke komme. Doch sehr weit weg meint er, "twenty kilometers". Ich weiß nicht mehr so recht, ob ich hier auch nur ansatzweise richtig bin. Ich laufe weiter. Und das tue ich so lange, bis allmählich der wunderschöne, klare Sternenhimmel aufkommt, ich aber die Hoffnung bereits aufgegeben habe, an diesem Tag noch das Rainbow-Gathering zu finden. Die Wanderung strengt so an, dass ich nur noch bald schlafen möchte. Nur wo? In den paar Häusern, die ab und zu auftauchen, fühle ich mich nicht eingeladen. Die Menschen können kein Englisch und betrachten mich wie einen Außerirdischen.
Dann beschließe ich, zu trampen, denn es kommen ab und zu Autos vorbei. Doch mit zunehmender Dunkelheit, immer seltener. Also ist es Zeit zu handeln. Eines der ersten Autos nimmt mich mit. Zwei Männer, die nett sind. Ich sage einfach, ich müsse in die nächste Stadt mit Hotel und dorthin nehmen sie mich auch mit.
Angekommen, laufe ich umher. Eine schöne Stadt, ähnlich wie Rishikesh, nur viel ruhiger und fast völlig ohne Touristen! Abseits der "Lonely-Planet-Routen" lernt man das wahre Indien kennen...
Hier treffe ich ein paar Chillum rauchende heilige, die mich einladen wollen, mit ihnen unter einer Brücke zu schlafen. Kurz überlege ich es mir, denn so würde sich die Suche nach einem Hotel erübrigen. Dann lehne ich ab, denn ein wenig Sorgen habe ich dabei schon. 
Bald stelle ich erfreut fest, dass jenseits der Touristenorte auch die Preise fürs Schlafen bei nur ungefähr der Hälfte liegen (logisch), was in Indien also so gut wie Nichts ist. 70 Rupees zahle ich für eine Übernachtung in einem großen Zimmer mit gemütlichem Bett. Ohne Moskitos! Das ist etwa ein Euro. 
Ich denke mir, dass auch dies eine interessante Erfahrung war, wenngleich ich das Rainbow-Gathering nicht gefunden habe. Zufriedenheit durchflutet meinen Körper an diesem Abend und ich falle in einen tiefen, guten Schlaf.

Keine Kommentare: